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Informationen für Gastfamilien

Klaus Waiditschka
Jugendbildung und Sozialarbeit e. V.

Sehr geehrte Eltern!
Sie haben sich bereit erklärt, eine Jugendliche/einen Jugendlichen der Partnergruppe, die im Rahmen der Jugendbegegnung in unsere Stadt kommt, bei sich zuhause aufzunehmen. Sie übernehmen während der Zeit des Familienaufenthalts die Verantwortung für den Gast, als wäre dies Ihre eigene Tochter/Ihr eigener Sohn und wollen ihr/ihm eine angenehme und unvergessliche Zeit dank Ihrer Gastfreundschaft bereiten. Wir, die Organisatorinnen und Organisatoren der Jugendbegegnung, wollen Ihnen dafür unseren herzlichen Dank aussprechen.

Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass der Gastfamilien-Aufenthalt reibungslos verläuft und für alle daran Beteiligten zu einer freundschaftlichen und über den Tag hinaus wirkenden Erfahrung wird. Wir wissen aber auch, dass es unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was Gastfreundschaft bedeutet, und wollen Sie deshalb über einige kulturelle Eigenheiten informieren, damit Sie auf den Besuch gut vorbereitet sind und unnötige Missverständnisse oder gar Konflikte vermieden werden können.


Gast / Gastgeber sein

In Polen ist der Gast eine sehr wichtige Person, für die ggf. die Familie enger zusammenrückt und bei Bedarf ein Zimmer räumt; auch kommt es vor, dass sich zumindest ein Elternteil für die Zeit der Begegnung Urlaub nimmt, um immer zuhause zu sein und den Gast versorgen und bedienen zu können. In Deutschland wird hingegen häufig durch die Aufnahme eines Gastes keine solche Ausnahmesituation geschaffen, sondern das normale Familienleben geht weiter, in das der Gast integriert wird. „Fühle Dich wie zuhause!“ charakterisiert vielleicht am besten das Verständnis von Gastfreundschaft, das dort vorherrscht. Das kann auch bedeuten, dass der Gast – zumindest bei längeren Aufenthalten – so sehr in den normalen Tagesablauf integriert wird, dass von ihm erwartet wird, sich an den Haushaltsarbeiten zu beteiligen. Dies gibt dem Gast die Möglichkeit, das authentische deutsche Familienleben besser kennen zu lernen.


Mahlzeiten

In Polen wird es als eine Ehre verstanden, einen Gast zu versorgen und zu verpflegen; oftmals wird der übliche Speiseplan geändert, um dem Gast besondere, landestypische oder auch hochwertige Speisen anbieten zu können. Und einem Gast wird ständig etwas angeboten, der Gast wird bedient. Leere Teller oder Gläser sind für einen polnischen Gastgeber oder eine polnische Gastgeberin ein unerträglicher Zustand, denn wenn alles aufgegessen oder leer getrunken ist, versteht er/sie dabei, dass es nicht gereicht hat, dass der Gast noch hungrig oder durstig ist. Ein deutscher Gast hingegen hat in der Regel gelernt, dass es unhöflich ist, etwas übrig zu lassen: Um den Gastgeber oder der Gastgeberin zu zeigen, dass alles gut geschmeckt hat, gehört es sich, Teller, Tasse oder Glas leer zu machen.

Ein polnischer Gast in einer deutschen Familie erwartet entsprechend auch, versorgt und bedient zu werden; damit verbunden ist die Scheu, nach etwas zu fragen oder sich ggf. selbst zu bedienen. Auch wenn er dazu ausdrücklich aufgefordert worden ist, wird es einem polnischen Gast fast unmöglich erscheinen, selbst an den Kühlschrank zu gehen und sich ein Getränk oder gar etwas zu essen zu nehmen. Wenn Sie als deutsche Eltern möglicherweise zu dem Zeitpunkt, wenn der polnische Gast von den gemeinsamen Programmaktivitäten der Gruppe nach Hause kommt, selbst nicht da sind, sollte Ihr Sohn/Ihre Tochter die Rolle des Gastgebers/ der Gastgeberin übernehmen und dem Gast etwas zu essen und zu trinken anbieten und das meint: nicht nur fragen, sondern konkret auf den Tisch stellen. Wir empfehlen dringend, wo immer es möglich ist, an jedem Tag mindestens eine gemeinsame Mahlzeit der ganzen Familie mit dem Gast einzuplanen.


Das „Nein“

In Polen ist es eine höfliche Geste, auf die Frage „Möchtest Du … ?“ erst einmal mit „Nein“ zu antworten. Dies bedeutet keineswegs immer eine Ablehnung. Es ist vielmehr ein Spiel oder Ritual zwischen dem/der Fragenden und dem/der Antwortenden; dieser erwartet nämlich, mindestens ein weiteres Mal gefragt, ja überredet zu werden. Erst wenn es nach der zweiten oder dritten Frage immer noch beim „Nein“ bleibt, weiß man, dass es auch wirklich so gemeint ist. Anders in Deutschland: Die Deutschen kommunizieren direkter, und ein „Nein“ bedeutet in der Regel auch beim ersten Mal schon eine Ablehnung. Wird ein deutscher Gast immer wieder und wieder gefragt, kann es passieren, dass er ärgerlich wird, weil er sich nicht ernst genommen fühlt. Wird hingegen bei einem „Nein“ des polnischen Gastes in einer deutschen Familie nicht noch einmal nachgefragt, kann es sein, dass der polnische Gast hungrig oder durstig bleibt.


Geschenke

Es ist eine nette und höfliche Geste, wenn ein Gast ein kleines Geschenk für seinen Gastgeber oder seine Gastgeberin hat, um damit für die Aufnahme im fremden Heim zu danken und eine kleine Aufmerksamkeit seiner Familie zu überbringen. Gerade bei einem Jugendaustausch (dem wechselseitigen Besuch) mit Familienaufenthalten ist es sinnvoll, schon vorher eine Absprache zu treffen, welchen Umfang solche gegenseitigen Gastgeschenke haben sollen, damit nicht ein Wettbewerb eintritt, bei dem die eine Seite versucht, die andere zu übertreffen.

Bei der Abreise bereiten die Gastgeber/innen oft noch ein Verpflegungspaket vor, ein Getränk, etwas zu essen und vielleicht ein paar Süßigkeiten, insbesondere wenn es eine längere Heimreise zu überstehen gilt. In manchen polnischen Familien ist es darüber hinaus üblich, dem abreisenden Jugendlichen auch noch ein Geschenk für seine Familie mitzugeben. Eine solche Tradition existiert in Deutschland nicht; auch darüber sollte ggf. schon vor der Begegnung gesprochen werden, um peinliche Situationen und unangenehme Gefühle zu vermeiden.


Stereotype und individuelle Unterschiede

Verallgemeinernde Beschreibungen, wie wir sie oben vorgenommen haben, können leicht dazu führen, Stereotypen über eine andere Kultur zu erzeugen oder zu verstärken. Deshalb möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es natürlich sowohl in Deutschland als auch in Polen sehr große Unterschiede im Verständnis von Gastfreundschaft und im Verhalten sowohl der Jugendlichen als auch der gastgebenden Familien geben kann. Die obigen Beschreibungen beruhen auf langjährigen Erfahrungen mit einer Vielzahl von Begegnungen und geben wieder, welche Verständigungsprobleme im Verhalten immer wieder aufgetreten sind. Möglicherweise werden Sie andere Erfahrungen machen. Vielleicht helfen Ihnen diese Hinweise aber, Verständnis für die kulturellen Unterschiede zu entwickeln und beim Anzeichen von möglichem Konfliktpotenzial das Gespräch darüber zu suchen, was denn im jeweils anderen Land als normal und angemessen, höflich oder unpassend gilt. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Besuch Ihres Gastes. Wenn Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte umgehend an die Gruppenleitung.

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