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Situation von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen

Klaus Waiditschka
Jugendbildung und Sozialarbeit e. V.

Die Menschen in unseren Gesellschaften sind unterschiedlich, nicht nur in ihrem Aussehen, ihrer Sprache, ihrem Alter oder ihren Einstellungen und Vorlieben, sondern auch in ihren Fähigkeiten. Das gehört zur Vielfalt. Manche Menschen brauchen aufgrund der Einschränkungen, mit denen sie in ihrem Alltag leben müssen, besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung, damit sie voll und gleichberechtigt an einer deutsch-polnischen Begegnung teilnehmen können.

Diese Einschränkungen sind unterschiedlich in ihrer Art und in den Auswirkungen, die sie auf das Leben haben sowie auf die Möglichkeiten des/der Betroffenen, mit anderen zu kommunizieren und gemeinsam aktiv zu werden; sie zeigen sich in Formen wie:

  • sensorische Einschränkungen, insbesondere des Sehvermögens bis zu völligen Blindheit und des Hörvermögens bis zur Gehörlosigkeit,
  • motorische Einschränkungen, z. B. durch fehlende Gliedmaßen, Muskelerkrankungen und Lähmungen,
  • kognitive Einschränkungen, z. B. geringeres Lerntempo und Abstraktionsvermögen,
  • chronische Erkrankungen, z. B. Diabetes, Epilepsie, Multiple Sklerose,
  • psychische Erkrankungen und sozial-emotionale Störungen.

Diese Einschränkungen können sowohl einzeln auftreten als auch in unterschiedlichen Kombinationen.

Zu einer Behinderung werden solche individuellen Einschränkungen dann, wenn die Gesellschaft den Menschen, der alles kann, zur Norm erhebt („Ableismus“1) und damit für diejenigen, deren Fähigkeiten zur Wahrnehmung oder Bewegung, bzw. aufgrund ihrer Gesundheit oder ihres Intellekts eingeschränkt sind, Barrieren errichtet. Behinderung ist also kein biologisches, sondern ein soziales Phänomen.


Wenn die Vielfalt der menschlichen Gesellschaft in den Jugendbegegnungen abgebildet und alle jungen Menschen eingeladen werden sollen, dann muss es das Ziel sein, möglichst weitgehende Barrierefreiheit zu erreichen. Dazu gibt es zwei Ansatzpunkte, die in der Regel beide beachtet werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen:

1.

Assistenz zum Ausgleich der individuellen Beeinträchtigung:

  • eine technische Assistenz, z. B. Gehhilfe, Rollstuhl, Hörgerät, Brille, Kommunikator2;
  • personale Assistenz, z. B. Gebärdendolmetscher/-in, Pflegekraft, Inklusions-Assistent/-in;

2.

Gestaltung der Umgebung (Unterkunft, Verpflegung, Freizeitmöglichkeiten) und der Programmaktivitäten unter Berücksichtigung der jeweiligen Beeinträchtigungen, die in der Gruppe vorhanden sind.

Entscheidend ist dabei, dass die Menschen, die täglich mit ihren Einschränkungen leben, selbst wissen und festlegen, welche Art von Unterstützung sie brauchen, um gleichberechtigt und auf Augenhöhe als Mitglied der Begegnungsgruppe agieren zu können; es ist unangemessen, wenn andere ihnen sagen, was sie können oder nicht können, und damit Entscheidungen über ihren Kopf hinweg treffen.

Barrierefreiheit muss von Anfang an mitgedacht werden, d. h. bereits bei der Einladung zur Begegnung sollte bedacht werden, dass Menschen sich nur dann angesprochen fühlen, wenn auf ihre jeweils besonderen Bedürfnisse eingegangen wird, bzw. die Einladung so ausgesprochen und verbreitet wird, dass diese auch alle Menschen erreicht. Beispiel:

Bei einer internationalen Begegnung, an der auch in ihrem Hörvermögen eingeschränkte und gehörlose junge Menschen teilnehmen sollten, haben wir die Einladung zusätzlich als Gebärdensprachvideo veröffentlicht und bei der Kommunikation mit den (gehörlosen) Eltern Gebärdensprach-Dolmetscher/-innen eingeschaltet (geht auch am Telefon!).

Auch bei der Wahl der Transportmittel (Anreise, Ausflüge) muss die Barrierefreiheit mitgedacht werden. Öffentliche Verkehrsmittel sind aufgrund von EU-Vorschriften zunehmend barrierefrei; dennoch muss dies im Einzelfall geprüft und ggf. längere Umsteigezeiten einkalkuliert werden. Grundsätzlich ist es wünschenswert, dass Teilnehmende mit Einschränkungen gemeinsam mit der Gruppe reisen können; in wenigen Situationen kann es jedoch erforderlich sein, einen Spezialtransport zu organisieren.

Bei der Programmgestaltung wird oftmals entweder der Fehler gemacht, geplante Aktivitäten nicht im Hinblick auf Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten zu bedenken, und diese dann – mit großem Bedauern – auf die Zuschauer-Bank zu setzen, oder aber solche Aktivitäten mit Rücksicht auf Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten vor vornherein auszuschließen und alle anderen Teilnehmenden damit zu frustrieren. Das Ziel ist hingegen, dass die Teilnahme und der Spaß für alle gewährleistet werden kann.


Beispiele:

Eine Fahrrad-Tour kann nicht stattfinden, weil der blinde Jonas ja nicht Fahrrad fahren kann? Falsch! Wir besorgen uns Tandem-Fahrräder und bilden gemischte Teams aus sehenden und in ihrem Sehvermögen eingeschränkten Teilnehmenden. Dann kann die Radtour starten!


Wir spielen „Obstsalat“3, aber Karolina, die im Rollstuhl sitzt, kann nicht so schnell die Sitzplätze wechseln und muss deshalb zuschauen? Nein, wir ändern die Regeln und markieren auf dem Boden Stehplätze (mit Kreide oder Krepp-Band) für alle Teilnehmenden, dann kann auch Karolina mit ihrem Rollstuhl den Platz wechseln.


Wir wollen das „Akustik-Puzzle“4 spielen, aber Grzegorz kann keine Geräusche hören und wäre somit ausgeschlossen. Wir verändern die Spielregel: statt Geräusche einigen die Paare sich auf Gesten, und schon können alle wieder mitmachen.


Informationen zur Förderung von Begegnungen, an denen Menschen mit besonderen Bedürfnissen teilnehmen, finden Sie im Artikel „Wie fördert das DPJW die Teilnahme von Menschen mit besonderen Bedürfnissen am Jugendaustausch?“.

  • 1 Aus dem Englischen: able = fähig, Beurteilung eines Menschen aufgrund seiner Fähigkeiten bzw. Abwertung eines Menschen aufgrund geringerer oder fehlender Fähigkeit.
  • 2 Kommunikationshilfsmittel bei eingeschränkter Sprachfähigkeit, ursprünglich aus Bildkarteien hervorgegangen, heute in der Regel tablet-artiges Gerät mit Buchstabentastatur (bei vorhandener Schriftsprachfähigkeit) oder Bildsymbol-Tastatur.
  • 3 Spiel „Obstsalat“.
  • 4 S. Hauff, Steffen / Hülsmann, Kathrina / Krasowska, Natalia / Liedtke, Hannah-Maria / Rösch,Judith M. / Waiditschka, Klaus: Das hat Methode! Praxis-Handbuch für den deutsch-polnischen Jugendaustausch (PDF), DPJW, Potsdam / Warschau 2018, S. 88.

Materialien auf Deutsch:

Materialien auf Polnisch →

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