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Ausflüge und Begegnungen

Natalia Sarata
Antidiskriminierungstrainerin,
Stiftung Raum für Frauen, Gesellschaft für Antidiskriminierende Bildungsarbeit

Begegnungen mit Dritten sind ein zentraler Bestandteil des Jugendaustauschs. Sie haben landeskundlichen Wert und ermöglichen es den Jugendlichen, sich mit der Kultur, Architektur und Umgebung vertraut zu machen, in der die gastgebende Gruppe lebt. Wichtig ist auch der Aspekt der Integration: Das gemeinsame Kennenlernen interessanter Orte und Personen kann ein tolles Abenteuer sein, das Beziehungen stärkt. Da sich Ausflüge und Treffen mit Externen häufig im Programm von Austauschprojekten wiederfinden, besteht allerdings die Gefahr, dass sie stets nach einem ähnlichen Schema organisiert oder nicht den Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen angepasst werden.


Es lohnt daher der Blick auf einige zentrale Aspekte, die beim Thema Vielfalt im Austausch und gleichzeitig dem Aufbau partnerschaftlicher, respektvoller Beziehungen zu den Jugendlichen dienlich sein können.

  • Bei der Planung eines Ausflugs ist es gut, ausgetretene Pfade zu verlassen und das Kennenlernen der Stadt einmal auf ungewöhnliche Art zu organisieren. In Deutschland und Polen gibt es zum Beispiel Netzwerke von Frauenorganisationen, die auf den Spuren von Frauen und ihrer Geschichte Spaziergänge durch die Stadt anbieten. Sie ergänzen so einen Teil der Stadtgeschichte, der bei normalen Stadtführungen oft fehlt. Welches waren im 19. Jahrhundert die größten Industriebetriebe in Łódź/Lodz, die gleichzeitig überwiegend Frauen beschäftigten? Wo haben in Kraków/Krakau zum ersten Mal Arbeiterinnen gestreikt, die Zigarren und Zigaretten herstellten? Welche spannenden Geschichten können uns die Frauenmuseen in Berlin und Bonn über Frauen, ihre Vergangenheit und Kunst erzählen? Themen, die in Geschichtslehrbüchern meistens fehlen oder erst seit Kurzem behandelt werden, haben das große Potenzial, bei Jugendlichen besonderes Interesse zu wecken. Es ließe sich auch ein thematisch passendes Gespräch organisieren, das Fragen nach der Bildung von Mädchen, der Emanzipation und dem Kampf um Rechte von Frauen aufgreift. Frauenorganisationen in Polen und Deutschland verfügen über große Erfahrung mit dieser Art von Treffen.
  • Des Weiteren kann man sich eine Stadt auch aus dem Blickwinkel von Minderheitengruppen, die dort leben, erschließen. Von der Geschichte der evangelischen Gemeinden erzählen die Mauern verschiedener polnischer Städte, auch wenn die traditionellen Stadtführungen meist nicht ihr Augenmerk darauf richten. Die Geschichte jüdischer Gemeinschaften, ihr Alltagsleben, die Vernichtung im Holocaust und die anschließende Wiederbelebung jüdischen Lebens können für unterschiedliche Austauschprojekte eine große Bereicherung sein. Ausflüge, bei denen Aspekte religiöser Minderheiten aufgegriffen werden, die sich mit der Geschichte gesellschaftlicher Minderheiten überschneiden (z. B. Führungen auf den Spuren jüdischer Frauen), können vergangene und gegenwärtige Kontexte offenbaren, mit denen sich die Mainstream-Geschichtsschreibung sonst nicht besonders häufig beschäftigt. Welche Seiten einer Stadt zeigen uns Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die sich dort zum Beispiel im Rollstuhl fortbewegen, oder sehbehinderte, blinde oder gehörlose Menschen? Wie unterscheiden sich ihre Eindrücke einer Stadt, mit dem Raum und der dazugehörigen Geschichte von den Erfahrungen sehender oder hörender Menschen? Über welche Wege und zentralen Orte einer Stadt berichten Migrantinnen und Migranten? Geschichten, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, sind oft völlig gegensätzlich und betreffen gleichzeitig doch denselben Raum und verschiedene Seiten der Lebenswirklichkeit dort lebender Gruppen.
  • Ausflüge auf den Spuren verschiedener Architekturströmungen (z. B. Moderne oder Bauhaus) können das Programm eines Austauschs hervorragend ergänzen, wenn es um Themen wie Fortschritt, gesellschaftliche Entwicklung oder den Einfluss von Raum auf eine Gesellschaft und ihre unterschiedlichen Gruppierungen geht. Ein Spaziergang über die Danziger Werft auf den Spuren der Arbeiterinnen kann Jugendbegegnungen zum Thema Menschen- und Frauenrechte, Demokratie und gesellschaftliche Veränderungen um einen interessanten Aspekt ergänzen. Wenn die Führungen (wie in Danzig) durch ehemals auf der Werft beschäftigte Seniorinnen und Senioren erfolgen, ist auch der intergenerationelle Wert dieser Aktivität nicht zu unterschätzen – gleichzeitig ein Wandern auf historischen Spuren und eine Gelegenheit zum Zeitzeugen/-innengespräch!
  • Nicht vergessen sollte man die Möglichkeit, dass die Jugendlichen auch selbst die Funktion von Stadtführerinnen und Stadtführern übernehmen können. Wenn die Teilnehmer/-innen selbst einen Spaziergang zu Orten vorbereiten, die für sie wichtig sind und sie deren Geschichte erzählen und die Bedeutung erklären, die diese für sie persönlich haben, kann dies aus Sicht Gleichaltriger besonders interessant sein. Bei der Vorbereitung historischer Spaziergänge können zum Beispiel thematische Smartphone-Apps helfen, die verschiedene Routen durch die Stadt vorschlagen.
  • Stadtspiele sind eine gute Alternative, die traditionelle, geführte Stadtbesichtigungen erfolgreich ersetzen. Mit dieser Methode werden die Jugendlichen stärker als bei einer klassischen Stadtführung eingebunden, sie fördert Wissenserwerb, Eigenverantwortung und Integration. Stadtspiele können unterschiedliche Themen behandeln, und die Entwicklung eines eigenen Spiels (Wissenserwerb, Aktivitäten planen, Raum kennenlernen) ist ein interessantes Projekt, das man während einer Jugendbegegnung durchführen kann.
  • Bedenken sollte man, dass Treffen mit Repräsentantinnen und Repräsentanten des öffentlichen Lebens (z. B. Bürgermeister/-innen) für Jugendliche eher uninteressant sind, sie können für das Thema der Begegnung auch geradezu unpassend sein oder als langweilig empfunden werden. Vor der Entscheidung über die Aufnahme ins Programm sollte man daher mit den Vertreterinnen und Vertretern der lokalen Behörden Ziel und Ablauf genau besprechen, vor allem aber mit den Jugendlichen Rücksprache halten. Schließlich sollten sie das letzte Wort haben, welche Themen sie während der Begegnung behandeln wollen. Ein alternativer Programmpunkt könnte zum Beispiel ein Workshop im örtlichen ethnografischen Museum oder ein Zeitzeug/-innengespräch sein. Unabhängig davon, für welche Art Ausflug oder Treffen man sich bei einer Jugendbegegnung entscheidet, sollte man auf jeden Fall prüfen, ob die Routen oder Treffpunkte für Menschen mit Geh- oder Sehbehinderung barrierefrei zugänglich sind.

Materialien auf Deutsch:

Materialien auf Polnisch →

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